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Im Interview mit Dr. Harald Borgholte

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Dr. Borgholte, Sie sind Präsident des europäischen Farbenverbands CEPE und auf der Mitgliederversammlung in Nürnberg neu in den Beirat des VdL gewählt worden. Wenn Sie sich mit drei Attributen beschreiben würden, welche wären das?

Hm, das ist nicht einfach. Neugier – also den Drang, immer wieder neue Dinge auszuprobieren. Dann schätze ich mich als sehr verlässlich ein. Und schließlich würde ich sagen, dass ich gerne mit Menschen zusammen bin. Interaktion und der Austausch mit Menschen sind mir sehr wichtig. Ich plaudere gerne und ziehe daraus Inspiration. Sportlichkeit wäre jedenfalls nicht dabei. Ich fahre zwar ausgiebig Fahrrad, mache aber lieber mentalen Sport. Ich würde mich als Genussmenschen bezeichnen, Herausforderungen suche ich geistiger Art.

Eigentlich wollten Sie mal evangelischer Theologe werden, was hat Sie von diesem christlichen Pfad abgebracht?

Meine Neugier und Innovationsbegeisterung. Ich bin in Nordhessen aufgewachsen und zur Schule gegangen. Mein erster Studienwunsch war Theologie, mein zweiter Lehramt. In der Schule hatte ich ein ganz gutes naturwissenschaftliches Grundverständnis. Aber Ende der achtziger Jahre waren die Berufsaussichten als Lehrer schlecht, also entschied ich mich für die Chemie. Heute bin ich froh, diesen Weg gegangen zu sein. Dann habe ich mich beeilt: Mit 26 Jahren hatte ich mein Studium inklusive Promotion abgeschlossen und habe dann gleich bei der BASF angefangen. Die Branche Farben und Lacke habe ich dann nie mehr verlassen und auch das Unternehmen nicht. Ich wäre gerne für eine längere Zeit ins Ausland gegangen. Stattdessen hatte ich aber immer neue interessante Aufgaben, das erfordert ja auch Mut beim Arbeitgeber. Das „Gesamtpaket“ hat mich gehalten.

Was fasziniert Sie denn so am Lack?

Meine erste Station 1991 war eine Labortätigkeit, danach bin ich schnell näher an den Markt gekommen. Ich habe wohl eine gute und überzeugende Art, Lack zu erklären und zu verkaufen. Das hat man bei BASF schnell gemerkt und mir Tätigkeiten im Marketing und Vertrieb überantwortet. Neben der Schönheit des Lacks ist es doch faszinierend, ein Produkt zu haben, das man im Leben immer um sich hat. Ob am Auto oder zu Hause, überall ist Lack: Es ist befriedigend, wenn man an der Entstehung eines Produkts beteiligt ist, das man anschließend direkt betrachten und kaufen kann. Der Umgang mit Lack kann sogar künstlerisch und inspirierend sein. Ich habe persönlich gerne Farben um mich, daher bin ich auch froh über das Museum für Lackkunst in Münster, das sich in Trägerschaft von BASF Coatings befindet.

Wie kamen Sie zur Verbandsarbeit?

Wieder durch den Aspekt der Innovation: Für mich war es schon immer wichtig, neue Aufgaben anzugehen. Es begann vor rund 15 Jahren als ich in der technischen Arbeitsgruppe der Autoreparaturlacke bei CEPE mitgearbeitet habe. Dann durfte ich die BASF im Vorstand vertreten. Sich für die Sache international einzubringen, machte Spaß und zeigte Wirkung. Der Versuch, auf Verbandsebene Themen einzubringen und im Sinne der Lackindustrie Dinge zu bewegen, ist jedes Mal eine spannende Herausforderung und eine neue Welt.

Was macht für Sie gute Verbandsarbeit aus?

Gute Verbandsarbeit ist die ausbalancierte Interessensarbeit für Unternehmen, die Fähigkeit zur Nachhaltigkeit beizutragen und dafür zu sorgen, dass wir als Industrie sinnvolle Alternativen setzen. Selbstverständlich kommunizieren wir auch als Unternehmen, aber ein Verband hat nicht spezifische Interessen wie eine Firma, sondern eine andere, spannende Flughöhe… Ein Verband sollte immer die Möglichkeit zum Austausch geben. Die Beachtung der Compliance-Regeln ist dabei natürlich zwingend. 80 % gesetzliche Gestaltung, 20 % Kommunikation, ergänzt durch Netzwerkveranstaltungen und den Austausch miteinander: Die Zufriedenheit der Mitglieder wird gemessen und passt beim VdL super.

Welche Herausforderungen stehen der Branche bevor?

Die Branche steht vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen, die meisten sind legislativer Art. Vor allem die unsägliche Diskussion um Titandioxid halte ich für nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus fordert uns die Digitalisierung. Eine meiner Aufgaben bei BASF Coatings besteht zurzeit darin, die Digitalisierung voranzutreiben. Eigentlich gibt es ja den Satz, keinen über 30 mit Digitalisierungsaufgaben zu beauftragen. Aber wir haben in dem Team eine gute Mischung von Persönlichkeiten und Berufserfahrung gefunden. Also versuche ich jetzt, die Übersicht zu bewahren – und ansonsten mit Freude das Chaos zu ertragen (lacht).

Apropos: Sie sind CEPE-Präsident und jetzt im VdL-Präsidium. Risiko oder Chance?

Das sehe ich als eine große Chance. Mein Amt auf europäischer Ebene dauert nur bis Ende 2020. Diese Kombination finde ich ziemlich gut, denn ich glaube, dass wir zusammen auf ein gemeinsames Ziel zusteuern und dadurch eine enge Koordination möglich ist. Wir vertreten alle die Interessen unserer Mitgliedsunternehmen und haben auf deutscher oder europäischer Ebene gute Chancen, noch mehr miteinander zu machen. Aber die Adressaten beider Verbände sind schon unterschiedlich: Ich habe mir immer gewünscht, dass mehr EU-Länder wie Deutschland, UK oder Frankreich die politische Karte intensiver spielen und bei der Kommission und mit EU-Parlamentariern einen intensiven Austausch suchen. Eine solche Vernetzung und Kontakte in die nationale Politik sowie in Brüssel und Straßburg sind wichtig. Aber in Europa gibt es unterschiedliche politische Kulturen, die man auch berücksichtigen muss. Jedenfalls ist der VdL ein Beispiel dafür, wie ein Verband politisch arbeiten sollte.

Das Interview führte Alexander Schneider