Umwelt und Sicherheit

Mikroplastik in Farben und Lacken

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In Farben, Lacken und Druckfarben werden Polymere eingesetzt, die unter die Mikroplastik-Definition fallen können. Durch unsachgemäße Anwendung und Entsorgung, aber auch durch Verwitterung und mechanische Belastung können Polymerpartikel in die Umwelt gelangen. Im Rahmen ihrer Produktverantwortung haben die Hersteller ein hohes Interesse daran, die Austragung von Mikroplastik zu verhindern.

Plastikmüll ist inzwischen wohl überall in der Umwelt vorhanden und dessen Beseitigung ist damit eine der größten globalen Herausforderungen. Plastik kann in der Umwelt zudem nie vollständig abgebaut werden, sondern zerlegt sich mit der Zeit in immer kleinere Partikel, das sogenannte Mikroplastik.

Mikroplastik kann bereits bei der Herstellung eines Produkts erzeugt werden. Die Freisetzung dieses primären Mikroplastiks in die Umwelt kann bewusst in Kauf genommen oder durch einen Unfall verursacht werden. Zudem entsteht primäres Mikroplastik in der Nutzphase von Kunststoffprodukten bei mechanischer Belastung oder durch Umwelt­einflüsse. Die Entstehung ist häufig nur schwer vermeidbar und die Reduktion der Freisetzung eine große Herausforderung.

Sekundäres Mikroplastik entsteht durch Verwitterung und Fragmentierung von Kunststoffabfällen (Makroplastik) in der Umwelt. Die Entsorgung von Kunststoffabfällen ist ein globales Problem, und es müssen effektivere Strategien zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen gefunden werden.

In Farben, Lacken und Druckfarben werden Polymere eingesetzt, die unter die Mikroplastik-Definition fallen können. Durch unsach­gemäße Anwendung, durch Verwitterung und mechanische Belastung kann es zu einem Eintrag von Polymerpartikeln aus Farben und Lacken in die Umwelt kommen. Auch bei unsach­gemäßer Entsorgung von Farbresten können Polymerpartikel freigesetzt werden.

Keine einheitliche Definition
Die Bewertung einer Freisetzung von Mikroplastik aus Produkten ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Aktuell gibt es keine einheitliche Definition für Mikroplastik und auch keine allgemein anerkannten und geprüften Methoden zur Identifizierung und
quantitativen Analyse. Aufgrund der fehlenden experimentellen Daten wird in aktuellen Studien bisher eine Abschätzung und Berechnung ausgehend von Produktionszahlen sowie potentiellen Freisetzungsraten verfolgt.

Studien: Farben und Lacke sind keine bedeutenden Verursacher
Relevante Studien von Fraunhofer UMSICHT (2018) und Eunomia (2018) schätzen, dass Lacke und Farben als Quelle von Mikroplastik nur eine untergeordnete Rolle spielen. Fraunhofer berechnete für 51 Mikroplastikquellen die Freisetzung. Insgesamt ergibt sich für Deutschland eine Gesamtmenge von 330.000 Tonnen, die jährlich an Mikroplastik in die Umwelt freigesetzt werden. Eunomia geht von knapp einer Million Tonnen freigesetztes Mikroplastik für Europa aus. Reifenabrieb, Waschen von synthetischen Textilien, Pelletverluste, Verwehungen von Kunstrasenplätzen liegen dabei ganz vorne. Die Freisetzung von Mikroplastik aus Farben und Lacken in Deutschland steht dabei an elfter Stelle.

Wie der Weg der Partikel aus den vielen unterschiedlichen Quellen nach der Freisetzung verläuft, lässt sich noch nicht genau sagen. Über die Luft werden Partikel verteilt, bei Regen werden Partikel in Flüsse geschwemmt, von wo sie auch ins Meer gelangen. Über Straßenabläufe wird Mikroplastik in das Kanalnetz gespült. Einige Einträge gelangen direkt in das Abwasser. Bei der Abwasserreinigung wird ein großer Teil des Mikroplastiks abgeschieden.

In Deutschland wurden im Jahr 2021 etwa 2 Millionen Tonnen Farben und Lacke hergestellt, wovon ca. 980.000 Tonnen als Bautenanstrichmittel (Farben und Putze) und ca. 350.000 Tonnen als Industrielacke zum Einsatz kommen.

Ein Viertel der Bautenanstrichmittel und drei Viertel der Industrielacke (bsp. Autoserienlacke) werden im Außenbereich verwendet und sind damit diversen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Die Farbenbranche ist sich der Problematik bewusst und hat längst Vorkehrungen getroffen: Bei der Herstellung und Verarbeitung von Farben und Lacken können freigesetzte Mengen aufgefangen und Reste sachgemäß entsorgt werden. Hinweise zur richtigen Anwendung und Entsorgung der Produkte werden auch auf dem Etikett und/oder den technischen Begleitpapieren gegeben.

Der Anteil an Polymeren an der Zusammensetzung variiert je nach Produkttyp und liegt bei Außenbeschichtungen bei ca. 20 %.

Fraunhofer IRB (2012) stellte fest, dass ein Großteil der enthaltenen Polymere über die gesamte Lebensdauer der Beschichtung durch photochemische und hydrolytische Prozesse zu Kohlendioxid, Wasser und Stickstoff abgebaut wird und Pigmente und Füllstoffe zurückbleiben. Experten gehen davon aus, dass so etwa zwei Drittel der Polymere abgebaut werden, bevor sich die Beschichtung vom Untergrund ablöst. Die OECD (2009) gibt an, dass die Freisetzungsrate für Außenbeschichtungen bis zu 3 % pro Jahr beträgt. Nach Eunomia könnten 20 % dieser freigesetzten Abwitterungsprodukte durch Regen in die Kanalisation gelangen und dem Abwassersystem zugeführt werden.

Kläranlagen in Deutschland sind heute so effektiv, dass diese bis zu 99 % des Mikroplastiks im behandelten Abwasser zuverlässig im Klärschlamm binden. Der Klärschlamm sollte dann aber nicht wieder in der Landwirtschaft ausgebracht, sondern einer Verbrennung zugeführt werden.

Die Entwicklung langlebiger und nachhaltiger Farben und Lacke ist eines der wichtigsten Ziele der Branche.

Im Rahmen der Produktverantwortung haben die Unternehmen ein hohes Interesse daran, verlässliche Daten zu Ausmaß und Art der Austragung von Mikroplastikpartikeln zu erhalten, um ihre Produkte weiter zu optimieren. Es ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch entscheidend, die Farbverluste und die Abnutzung von beschichteten Oberflächen so gering wie möglich zu halten.

Daher hat die Branche gerade experimentelle Studien begonnen, um weitere Informationen zur Freisetzung von Mikroplastik aus Außenbeschichtungen zu gewinnen. Mit ersten Ergebnissen wird im kommenden Jahr gerechnet.


Hintergrund: Plastik in Farben

In Farben, Lacken und Druckfarben werden Polymere wie Bindemittel und Additive als wesentliche Bestandteile einer Beschichtung eingesetzt. Liegen diese Polymere in fester Partikelform vor und sind zudem nicht wasserlöslich oder biologisch abbaubar, entsprechen diese der ECHA-Definition von Mikroplastik.

Bindemittel ermöglichen die Filmbildung in Beschichtungen durch Polymerisation, Polykondensation oder Polyaddition, indem sie die Komponenten von Farben und Lacken mit­einander und mit dem Untergrund verbinden. Durch die Filmbildung, wie Trocknung und Härtung, entsteht eine auf dem Untergrund haftende, harte und mechanisch beständige Schicht. Bindemittel verlieren durch den physikalisch-chemischen Prozess der Filmbildung die Partikeleigenschaft von Mikroplastik und werden mit dem Aushärten in einer festen Matrix gebunden. Additive auf Polymerbasis werden den Beschichtungsstoffen in geringen Mengen zugesetzt, um die Eigenschaften zu verbessern oder zu modifizieren. Diese werden mit dem Aushärten der Beschichtung ebenfalls in der Matrix fest eingebunden.

Ein Verzicht auf Polymere in Farben, Lacken und Druckfarben ist nicht möglich, denn dadurch verlieren diese ihre grundlegende Eigenschaft der Filmbildung, und der Untergrund wird nicht zuverlässig geschützt.

Eine Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit von Beschichtungen und des darunter liegenden Substrats wären folglich nicht erreichbar, das hätte negative Einflüsse auf die Nachhaltigkeit.


Kommentar: Ist Mikroplastik schädlich für den Menschen?

Von Dr. Sandra Heydel

 

In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur besteht Konsens, dass es keine ausreichenden Beweise gibt, um das Risiko von Mikroplastik – im Zusammenhang mit Beschichtungen oder anderweitig – für die menschliche Gesundheit ausreichend zu bewerten.

Grund dafür sind Schwierigkeiten bei der Quantifizierung der Exposition des Menschen und die Tatsache, dass die beobachteten Auswirkungen nicht mit der Exposition von Mikroplastik als solchem in Verbindung gebracht werden können, sondern mit der gleichzeitigen Exposition gegenüber Chemikalien, die möglicherweise mit den Mikroplastikpartikeln assoziiert sind. Schlüsselfaktoren, die das derzeitige Verständnis der potenziellen Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit erschweren, sind die Vielfalt der Mikropartikel im Hinblick auf ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften und ein fehlender Standard für die Quantifizierung der Menge und Mobilität dieser Partikel in der Umwelt.

Risikobewertungen internationaler wissenschaftlicher Einrichtungen, wenn auch auf der Grundlage begrenzter Daten, haben ergeben, dass die Exposition des Menschen gegenüber Mikroplastik oder mit Mikroplastik assoziierten Chemikalien gesundheitlich unbedenklich ist (WHO, 2019).


Definitionen für Mikroplastik

Mikroplastik ist ein Begriff, der allgemein verwendet wird, um sehr kleine Teile von Plastikmüll in der Umwelt zu beschreiben, die durch die Entsorgung von Produkten und Abfallstoffen entstehen. Es handelt sich dabei nicht um eine bestimmte Art von Kunststoff, sondern um jede Art fester und unlöslicher synthetischer Polymere (Kunststoffe) mit einer Größe von weniger als 5 Millimeter (mm). Farben und Lacke fallen unter diese Definition, da Polymere in Bindemitteln und Additiven wesentliche Bestandteile einer Beschichtung darstellen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) definiert Mikroplastik als „heterogenes Gemisch von unterschiedlich geformten (Kunststoff-) Materialien, die als Fragmente, Fasern, Sphäroide, Granulate, Pellets, Flocken oder Perlen im Bereich von 0,1 μm – 5 mm sowie Nanoplastik von etwa 1 bis 100 nm (0,001 – 0,1 μm) vorliegen“.

Die ECHA – die europäische Chemikalienagentur – definiert synthetische Polymer-Mikroplastikpartikel als „Polymere, die fest und entweder in Partikeln enthalten sind und mindestens 1 Gewichtsprozent dieser Partikel ausmachen oder eine dauerhafte Oberflächenbeschichtung der Partikel bilden, wobei mindestens 1 Gewichtsprozent dieser Partikel entweder ≤ 5 mm sind oder die Länge der Teilchen ist ≤ 15 mm, und ihr Verhältnis von Länge zu Durchmesser ist größer als 3.“

In der neueren Forschung wird primäres (Typ A und B) und sekundäres Mikroplastik unterschieden. Primäres Mikroplastik – Typ A – wird in Form von kunststoff-basierten Pellets bzw. Granulaten gezielt industriell hergestellt. Dieses Mikroplastik wird zum Beispiel als Pellets in der Plastikproduktion, als Granulate in Kosmetik und Hygieneprodukten wie Peelings, Zahnpasta und Handwaschmittel eingesetzt. Sekundäres Mikroplastik – Typ B – entsteht erst bei der Nutzung z.B. beim Abrieb von Reifen, beim Waschen synthetischer Kleidung oder auf Kunstrasenplätzen durch chemische, physikalische und biologische Zerfallsprozesse von Makroplastik in der Umwelt, etwa von Plastiktüten und Plastikflaschen.


Beschränkung unter REACH

Bereits im Januar 2019 hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) einen Vorschlag zur Beschränkung von Mikrokunststoffen, die bestimmten Produkten absichtlich zugesetzt werden, erarbeitet. Im August dieses Jahres nun kam der
lange erwartete Textvorschlag der Europäischen Kommission.

Der Vorschlag zielt auf Produkte ab, aus denen Mikrokunststoffe in die Umwelt freigesetzt werden. Mit der Beschränkung sollen verschiedene Produktgruppen – zeitlich abgestuft – nicht mehr auf den Markt gebracht werden dürfen.

Komponenten von Farben, Lacken und Druckfarben fallen ebenfalls unter die vorgeschlagene Definition für Mikrokunststoffe und sind damit direkt von dieser Beschränkung betroffen. Farben, Lacke und Druckfarben, die Polymere in ihren Bindemitteln oder als Additive enthalten, sind aufgrund der vorgeschlagenen Ausnahmen zwar vom Verwendungsverbot ausgenommen. Allerdings sollen Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender ihre Farben, Lacke und Druckfarben kennzeichnen und unterliegen umfangreichen jährlichen Berichtspflichten an die ECHA.

Der Textentwurf der EU-Kommission soll ab Frühherbst 2022 im REACH-Komitee mit den Mitgliedsstaaten diskutiert werden.


Dr. Sandra Heydel
arbeitet beim Verband als Referentin
Technische Gesetzgebung mit Schwerpunkt
Bauprodukte, Innenraumluft und Nachhaltigkeit.
heydel@vci.de

Aline Rommert
ist beim Verband Referentin für
Produktsicherheit, Nanotechnologie,
technische Gesetzgebung und REACH.
rommert@vci.de