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Warum der Verbrauch von Bautenfarben sinkt

Auf dem Bau boomt es – könnte man meinen. Doch trotz der guten Konjunktur wundern sich Hersteller und Fachleute von Bautenfarben und -lacken seit Jahren über Stagnation und sogar Rückgang der Verkaufsmengen: Eine Studie vom VdL in Auftrag gegebene Studie zeigt jetzt die Gründe.

Es herrscht ein Bauboom in Deutschland. Die deutschen Heimwerker gelten als Renovierungsweltmeister und in vielen Innenstädten kommt  mehr Farbe ins Spiel. Gute Aussichten also für den Absatz von Farben für den Innen- und Außenbereich – könnte man meinen. Doch tatsächlich sinkt der Verbrauch von Wandfarben, Putzen und Fassadenfarben, die unter dem Begriff Bautenanstrichmittel zusammengefasst werden, seit Jahren. So ging der Absatz an Bautenanstrichmitteln (mit  Putz/Spachtel) in Deutschland zwischen 2010 und 2017 um mehr als 10% (100.000 Tonnen) zurück. Der Umsatz hingegen wuchs leicht um 5%. Im gleichen Zeitraum wuchs das BIP als Wohlstandsindikator um ca. 13%, Baunebengewerbe sowie Malerhandwerk meldeten kontinuierlich steigende Zahlen und wuchsen um 20%. Auch der Baumarkt als primärer DIY Kanal zeigt sich relativ stabil.


In Gesprächen mit den Experten der Farben- und Lackhersteller, die den Markt sehr genau beobachten, wird schnell klar, dass es zu den Gründen für einen sinkenden Absatz viele  Vermutungen, aber nur wenige belastbare Zahlen gibt. Um etwas mehr Klarheit in dieser Sache zu erhalten, hat der VdL die Marktforschungsagentur CHEM Research beauftragt, die verschiedenen Einflussfaktoren auf die Nachfrage nach Bautenanstrichmitteln einmal näher zu untersuchen.

Die Ergebnisse sind mehr als erhellend - die wichtigsten Komponenten für den Lack- und Farbenmarkt sind:

· Zu beschichtende Flächen (Bestand)
  Innenräume, Fassaden

· Renovierungs-Intervall (Jahre)
  Innenräume, Fassaden

· Flächenleistung der Produkte
  Produkteigenschaft, Verarbeitungsprozess, Untergrund

· Kapazität/Nachfrage der Verarbeiter
  Handwerk, DIY-Segment

Neubauten haben geringen Einfluss auf Absatzmengen

Die Zahl der Neubauten spielt beim Gesamtverbrauch von Wand- und Fassadenfarben nur eine untergeordnete Rolle. So ist der Bestand der zu beschichtenden Flächen in den letzten 7 Jahren insgesamt nur um 2 bis 3% gestiegen. Speziell bei den Flächen für Lacke und Lasuren sind diese Flächen durch Umbaumaßnahmen/Sanierung sogar um rund 10 % zurückgegangen. Die Wohnungen haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten stark verändert: Statt vieler Zimmer sind heute offen gestaltete Wohnungen oder Häuser gefragt. Große, ineinander übergehende Wohn/Essbereich sind in modernen Einfamilienhäusern mittlerweile Standard. Diese Vorliebe führt dazu, dass es in den Innenräumen heute wesentlich weniger Zwischenwände und damit schlicht weniger Fläche gibt, die gestrichen werden könnte. Dies gilt grundsätzlich auch für die Gestaltung des Außenbereichs, sowohl für Wohn- als auch für Geschäfts- und Bürohäuser. Hier setzen die Architekten zunehmend auf die Verwendung der Baustoffe Glas, Stein, Stahl und Beton.


Größten Einfluss hat die deutliche Ausdehnung der Renovierungszyklen
Die Intervalle zur Renovierung sind in den letzten Jahren erheblich verlängert worden. Unter anderem spielt hier auch die verbesserte Qualität von Innenwandfarben eine große Rolle. Denn neben der größeren Ergiebigkeit sind diese Produkte heute zudem widerstandsfähiger und damit langlebiger. Hochwertige Pigmente und eine deutlich höhere Beständigkeit gegen Nassabrieb sorgen dafür, dass ein Anstrich heute länger schön aussieht als früher. Auch die Änderungen im Mietrecht –  insbesondere die Entscheidung des BGH zur Renovierungspflicht beim Auszug (2007) – sind für die Verlängerung der Renovierungszyklen verantwortlich. Ein weiterer Grund liegt in den sinkenden Umzugszahlen, dem so genannten „Lock-in-Effekt“. Laut einer Untersuchung des Energiedienstleisters Techem ging die Zahl der Umzüge in den Jahren 2013 bis 2016 im Bundesdurchschnitt um etwa 10 Prozent zurück. Durch den in der Folge weiterhin angespannten Wohnungsmarkt und steigende Mieten wechseln insbesondere in den Metropolen Berlin, Frankfurt und München immer weniger Mieter ihre Wohnungen.

Weniger Rauch, weniger Heimwerkeln

Als weiterer, wenn auch kleiner Mosaikstein wirkt sich das veränderte Wohnverhalten von Rauchern aus, die vermehrt nur noch draußen auf dem Balkon oder auf der Terrasse rauchen – das schont die Wohnungen. Zusätzlich nahmen in den letzten Jahren die Heimwerkeraktivitäten im DIY-Bereich deutlich ab, was auch auf eine hohe Beschäftigungsquote, einem verändertem Freizeitverhalten und einer demographischen Komponente zuzuschreiben ist.

WDVS im Sinkflug

Eine ungünstige Absatzentwicklung bei Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) trug in den letzten Jahren ebenfalls ihren Teil zu einem Rückgang beim Verbrauch von Bautenanstrichmitteln bei. Denn WDVS bestehen in der Regel aus einer Kombination von Dämmstoffen und darauf abgestimmter Putze und Fassadenfarben. Von 2012 bis 2017 brach der Absatz von WDVS aus mehreren Gründen massiv ein. Die gedämmte Fläche ging von konstanten 42 Millionen Quadratmeter im Jahr 2012  auf rund 33 Millionen im Jahr 2017 zurück.  2015 stoppte die Bundesregierung zudem ihr milliardenschweres Förderprogramm zur energetischen Gebäudesanierung.


So schätzt die CHEM Research den Nachfragerückgang aufgrund der verlängerten Renovierungszyklen zwischen 2010 und 2017 allein auf rund 8%.

Ein Anstrich genügt – erhebliche Verbesserung der Produktqualität

In den vergangenen Jahren wurde intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet, um die Qualität, beispielsweise von weißer Wandfarbe, entscheidend zu verbessern. Selbst so genannte Massenware, wie sie mittlerweile auch von den Discountern im Rahmen von Sonderaktionen angeboten wird, verfügt heute meist über die höchste Deckkraftklasse. Möglich wurde die marktweite Erhöhung der Deckkraft unter anderem durch eine bessere Qualität insbesondere von Titandioxid-Pigmenten und anderen Additiven. Die Verarbeiter und Verbraucher wissen es zu schätzen, wenn sie auf Grund der höheren Farbqualität die Wände nur noch einmal streichen müssen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Zunehmend glattere Untergründe wie die Korngröße im Putz, glatte Vliese statt strukturierter Raufaser unterstützen den Trend zu einem geringeren Verbrauch zusätzlich.


Die Einflussfaktoren rund um die Produktverbesserung sowie veränderte Untergründe der Bautenanstrichmittel schätzt die CHEM Research in dem Zeitraum von 2010 bis 2017 allein auf ca. 4,5 Prozent Marktvolumenrückgang.

Maler und Fachkräftemangel

Wegen der tendenziell niedrigeren Bereitschaft zu eigenen Renovierungsarbeiten (DIY) ist die Nachfrage nach Handwerkern entsprechend gestiegen. Obwohl die Maler von Kapazitätsengpässen geplagt sind werden mittlerweile zahlreiche Aufträge für Malerarbeiten über benachbarte Gewerke bzw. auch Multi-Handwerker durchgeführt. Die Zahl der Malerbetriebe hierzulande ist in den vergangenen Jahren recht konstant geblieben. Unabhängig davon gibt es allerdings besonders bei den Malern Fachkräftemangel, hinzukommt, dass sich immer weniger junge Menschen für eine Ausbildung im Malerhandwerk entscheiden.
Wegen der erheblichen Ausweitung der benachbarten Gewerke im Handwerk, die auch Malerarbeiten übernehmen, wird der negative Nachfrage-Effekt wegen Kapazitätsengpässen im Malerhandwerk nur auf 0,5 Prozent geschätzt.

Ausblick

In den kommenden Jahren ist voraussichtlich eine konstante Neubautätigkeit zu erwarten. Im Hinblick auf die Faktoren Haltbarkeit der Produkte und Umzugshäufigkeit sind mittelfristig kaum  Veränderungen zu erwarten, damit wird sich daraus aber auch kein negativer Einfluss auf die Volumenentwicklung der Bautenanstrichmittel ergeben. Die Flächeneffizienz der Produkte in der klassischen Verarbeitungsform wird nur noch geringfügig zu steigern sein. Insgesamt prognostizieren wir daher für den Markt von Bautenfarben ein leicht steigendes Absatzvolumen, mit einer günstigeren Entwicklung im Profi-Geschäft, hingegen mit weiterem, leichten Volumenrückgang im DIY-Sektor.