Lacke & Farben aktuell

Serie: European Green Deal (V)

|   Green Deal

Nachhaltige Produkte: mehr als Ökodesign

Die Initiative für nachhaltige Produkte (engl. Sustainable Products Initiative, SPI) steht vor der Tür - und bringt Veränderungen mit sich. Wie schon in ihrem Neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft aus dem Green Deal Politikbereich Nachhaltige Industrie angekündigt, will die Europäische Kommission mit der SPI Produkte fit für eine klimaneutrale, ressourceneffiziente und kreislauforientierte Wirtschaft machen.

Die SPI ist dabei ein Hauptinstrument des erneuerten europäischen Ansatzes für Produktpolitik. Nachdem erste Einblicke im Rahmen der sogenannten Roadmap publik wurden, offenbarte eine öffentliche Konsultation weitere Kommissionsüberlegungen. Die Initiative wird jeden Aspekt des Designs, der Produktion und des Verkaufs von Produkten adressieren und soll sicherstellen, dass nachhaltige Produkte auf dem EU-Markt zur Norm werden: Produkte sollen langlebig und reparaturfähig werden, zu machen und gleichzeitig Abfall und schädliche Chemikalien zu vermeiden. Die Initiative skizziert also einen breiten Geltungsbereich mit enormen Auswirkungen auf viele Sektoren, die auch vor der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie nicht Halt machen.

Erweiterter Geltungsbereich der Ökodesign-Richtlinie

Die SPI sieht eine Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie vor, um Produkte nachhaltiger zu machen. Es wird erwartet, dass die SPI über den bisherigen engen Anwendungsbereich hinausgeht und Nachhaltigkeitskriterien auf der Grundlage harmonisierter Indikatoren und Lebenszyklusbewertungen wie z. B. ökologischer Fußabdrücke festlegt.

Zielte die Richtlinie bisher ausschließlich auf energiebezogene Produkte wie Haushaltsgeräte, Informationstechnologien oder den Maschinenbau ab, stehen nun weitere Produktpaletten im Fokus, z.B Textilien, Möbel und Fenster. Chemikalien sowie Stahl und Zement werden in diesem Kontext als stark belastete Zwischenprodukte in die Verantwortung genommen. Darüber hinaus erwägt die EU-Kommission weitere Produktgruppen wegen ihrer Umweltauswirkungen und ihres Kreislaufwirtschaftspotenzials einzubeziehen.

Übergreifende Nachhaltigkeitsprinzipien und nachhaltiges Produktdesign

Hauptprinzip der SPI ist, dass nur nachhaltige Produkte auf dem EU-Markt produziert, beworben und verkauft werden. Sie legt konkrete Produktanforderungen fest, die alle Dimensionen der Nachhaltigkeit umfassen, wobei das zirkuläre Produktdesign im Mittelpunkt steht. Die Idee ist, einzugreifen, bevor Produkte zu Abfall werden. Unternehmen sollen also sicherstellen, dass Ihre Produkte langlebig sind, also robust und zweckmäßig gestaltet werden, um leicht wiederverwendet, aufgerüstet und repariert werden zu können. Die Initiative wird aber auch die Abfall- und Recyclingpolitik einbeziehen. Dafür sollen genauere Regeln für die Aufnahme von recycelten Inhalten in Produkten, zum Beispiel in Verpackungen, festlegt werden. Dabei will die Kommission auch sicherstellen, dass gefährliche Stoffe in Produktionsprozessen nachverfolgt und möglichst substituiert werden.

Die SPI zielt auch darauf ab, Geschäftsmodelle kreislauffähig zu gestalten. Dazu beitragen sollen Konzepte wie „Recht auf Reparatur“ und „Produkt als Dienstleistung“. Das eine sieht vor, dass Hersteller allen Marktteilnehmern kostenlosen Zugang zu notwendigen Reparaturinformationen gewährleisten. Das andere folgt dem Gedanken, dass Verbraucher nicht mehr das Produkt, sondern die mit dem Produkt verbundene Dienstleistung erwerben, z.B. eine gestrichene Wand. Das würde bedeuten, dass der Hersteller für die Reparatur und Wartung des Produkts verantwortlich ist.

Digitaler Produktpass

In einem weiteren Punkt ist die Kommission entschlossen, EU-Regeln für eine verpflichtende Nachhaltigkeitskennzeichnung und/oder die Offenlegung von Informationen für Marktakteure entlang der gesamten Wertschöpfungsketten in Form eines digitalen Produktpasses festzulegen. Die Initiative fordert, dass Unternehmen Methoden zur Lebenszyklusanalyse (LCA) implementieren, die die Umweltauswirkungen von Produkten nachverfolgen. Damit sollen Unternehmen in die Pflicht genommen werden, ihr Engagement für Nachhaltigkeit in jeder Phase des Produktlebens nachzuweisen. Der in der öffentlichen Konsultation definierte Umfang ist sehr weit und umfasst Reparatur- und Aufrüstungsanleitungen, das Vorhandensein gefährlicher Chemikalien, die Wiederverwendbarkeit, den Gehalt an recycelten Materialien, Recycling, korrekte Entsorgung und Informationen zum Abfallstrom.


Das sagt der VdL

Ökodesign

Auf Grundlage einer umfassenden Folgenabschätzung sollte die EU-Kommission den Anwendungsbereich der Richtlinie präzisieren und eine Liste der betroffenen Produkttypen erstellen. Die Leistungsanforderungen sollten dabei den Nutzen und Zweck der Produkte berücksichtigen und technologieneutral sein. Ein lebenszyklusbasierter Ansatz ist vorzuziehen, da bei einigen Produktkategorien die größten Nachhaltigkeitsvorteile mit der Nutzungsphase einhergehen z.B. wie die Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit von Beschichtungen. Es ist zu betonen, dass die Ökodesign-Anforderungen nicht einfach auf andere Produkte übertragen werden können. Wenn die Produktpalette erweitert wird, besteht die Gefahr, dass Umweltleistungen anderer Sektoren völlig anderen Regeln und Kriterien unterliegen als im Elektrosektor. Dies könnte dazu führen, dass Hersteller die Anforderungen nicht erfüllen können und Produkte nicht mehr auf dem Markt zugelassen werden. Prinzipiell darf es keine pauschalen Beschränkungen oder Verbote von Stoffen allein aufgrund ihrer Gefahrenklassifizierung geben. Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass Sicherheit und Leistungsfähigkeit im Endprodukt und der Verarbeitung gewährleistet sind. Die Chemikaliengesetzgebung mit der REACH/CLP-Verordnung hat sich bewährt und ist ausreichend. Eine zusätzliche Aufnahme von Chemikalienvorschriften in die SPI ist deshalb kontraproduktiv.

Nachhaltigkeit ist Teil der Lack- und Druckfarbenbranche

Nachhaltigkeit ist in der Branche fest verankert. Lacke und Farben sind ausgesprochen nachhaltig, indem sie bereits durch die Verlängerung der Lebensdauer von Bauwerken und Gütern einen erheblichen Beitrag zu Umweltschutz und Ressourcenschonung leisten. Indem Druckfarben relevante Verbraucherinformationen auf nahezu allen Konsumgütern vermitteln, leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit von Lebensmitteln und Produkten und tragen in Form von bedruckten und rezyklierbaren Zeitungen und Büchern zur nachhaltigen Wissensvermittlung bei. Ein zu enger Fokus auf Recyclingfähigkeit oder Zirkularität am Ende der Lebensdauer könnte dazu führen, dass wesentliche Nachhaltigkeitsvorteile gegen einen relativ geringen Nutzen in Bezug auf das Recycling der Produktmaterialien eingetauscht werden. Daher muss das Produktdesign ganzheitlich betrachtet werden, wobei Produktsicherheit und -leistung zu berücksichtigen sind. Nur so lässt sich ein ernstzunehmendes Design for Sustainability statt eines eindimensionalen Design for Recycling Ansatzes erreichen.

Es ist gelebte Praxis der Lack- und Druckfarbenindustrie, besonders gefährliche Stoffe - wo immer möglich - nicht einzusetzen bzw. zu substituieren. Viele nachhaltige Produkte benötigen jedoch als gefährlich eingestufte Stoffe (z.B. Lösemittel, Konservierungsmittel etc.). Produkte mit solchen Stoffen können sicher und nachhaltig verwendet werden. Die alleinige Fokussierung auf die Stoffeigenschaften ist vereinfachend und wird der Komplexität des Problems nicht gerecht. Um die ehrgeizigen Ziele des Green Deals zu erreichen, muss daher ein ganzheitlicher Ansatz gewählt werden, der wissenschaftliche Grenzen akzeptiert und Zielkonflikte berücksichtigt.

Ausgestaltung eines Digitalen Produkt-Passes

Der digitale Produkt-Pass kann durch mehr Transparenz zu mehr Vertrauen in die Industrie beitragen. Die bereitgestellten Informationen sollten sich jedoch auf wesentliche Produktdaten beschränken. Zudem muss die EU-Kommission sicherstellen, dass vertrauliche Informationen wie Offenlegung der Lieferanten und Rezepturen, d.h. Art und Menge aller im Produkt enthaltenen Stoffe über das in den Sicherheitsdatenblättern enthaltene Maß hinaus, nicht eingefordert werden. Zudem sollten Informationen, die bereits an anderer Stelle zur Verfügung gestellt werden, z.B. auf Unternehmens-Webseiten und in Produktdatenblättern, sowie Informationen, die ein regelmäßiges Update erfordern, nicht berücksichtigt werden. Der digitale Produkt-Pass sollte auch keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand und Kosten für Unternehmen mit sich bringen, insbesondere nicht für kleine und mittelgroße.


FAZIT

Die Unternehmen der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie müssen sich auf größere Veränderungen in allen Phasen ihres täglichen Arbeitsablaufes einstellen. Um den Vorstellungen der EU-Kommission zu entsprechen, müssen insbesondere Produktdesign, Langlebigkeit und traditionelle Geschäftsmodelle neu bewertet werden. Die endgültige Richtlinie soll mit anderen Schlüsselinitiativen, die Teil des Neuen Aktionsplans für eine Kreislaufwirtschaft sind, bis Ende 2021 veröffentlicht werden. Der VdL hat sich sowohl zur Roadmap als auch zur öffentlichen Konsultation in enger Abstimmung mit CEPE positioniert und wird auch den weiteren Prozess intensiv begleiten.


Lucas Schmidt-Weihrich
ist Referent für Public Affairs
beim VdL.
schmidt-weihrich@vci.de