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Interview mit Dr. Carl Epple

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Dr. Carl Epple von der Epple Druckfarben AG

Dr. Carl Epple (55) wurde auf der Jahresmitgliederversammlung in Baden-Baden am 18. Mai 2022 ins Präsidium des VdL gewählt. Der promovierte Chemiker hat in der Schweiz studiert und führt das Unternehmen Epple Druckfarben AG seit 2007 in vierter Generation. Epple ist verheiratet, hat einen Sohn und wohnt in Augsburg. Wir stellen den passionierten Skifahrer und Reiter in unserem Interview vor.­
 

Herr Dr. Epple, Sie wurden im Mai in das VdL-Präsidium gewählt und verstärken dort die Gruppe der Familieninhaber. Hinter Ihrem Unternehmen stehen 150 Jahre Geschichte, damit dürften Sie einer der ältesten deutschen Druckfarbenhersteller sein?

Diese „150 Jahre Epple“ haben wir mit Historikern erarbeitet. Tatsächlich hat das Unternehmen in Radebeul bei Dresden seine Ursprünge. Mein Großvater war aus Augsburg dorthin gegangen und hatte zwei Firmen zur Herstellung von Farben geführt. Aber nach dem Krieg wurde alles enteignet, mein Großvater kehrte zurück nach Augsburg und hat angefangen, unter dem Namen „Carl Epple“ Druckfarben zu produzieren. Mein Vater und meine Tante haben die Firma dann in den 1950er Jahren übernommen und auf die andere Seite von Augsburg nach Neusäß umgezogen, wo wir noch heute produzieren.

Großvater, Vater, Tante – wie wird man in einer Unternehmerfamilie groß, in der sich über Generationen alles um das Thema Druckfarben dreht?

Die Bedeutung von Farbe für die Familie ist mir erst später richtig bewusst geworden. Als Kind war mir nur klar, da gibt es ein Unternehmen, da steckt der Vater unheimlich viel Zeit rein, und es steht immer an erster Stelle. Und im Supermarkt war ich ein Konsument wie jeder andere. Eine Ausnahme fällt mir gerade ein: Wir waren Zulieferer für die Verpackung von Melitta-Kaffeefilter, also spielten „Melitta-Grün“ und „Melitta-Rot“ immer eine wichtige Rolle im Haus und am Frühstückstisch.

Ihr beruflicher Werdegang war bei dieser Tradition und einem Chemiestudium bestimmt früh vorgezeichnet?

Nein, so vorbestimmt war das nie bei mir. Die Chemie war ein Fach, das auf meinem humanistischen Gymnasium relativ spät kam. Da hatte man schon Fächer vergeigt oder war nicht so fleißig gewesen und konnte hier gut punkten. Und da meine Interessen zwischen Biologie und Chemie angesiedelt waren, entschied ich mich dann für das Studium in Bern und Zürich. Das war auch die richtige Entscheidung, mich hatte das alles wahnsinnig interessiert. Für meinen späteren Job war das am Ende natürlich von Vorteil. Klar stellt sich dann früher oder später die Frage, ob man ins elterliche Unternehmen einsteigt. Und es war relativ klar, dass ich nach einer Promotion nicht nochmal meine akademische Laufbahn verlängere. Was tun? Geht man in die Industrie oder in das Familienunternehmen? Dort war gerade eine spannende Zeit mit einer Wachstumsoption.

Welche spannende Option gab es denn?

Ich hatte schon mitbekommen, dass wir 1995 mit mineralölfreien Offsetdruckfarben einen großen Wurf gemacht hatten, und zeitgleich war Epple mit einer schnell trocknenden Farbe unterwegs. Spannend war aber, dass viele der damaligen Bogenoffsetfarben auf den neuen Schön-und-Widerdruck-Druckmaschinen nur mäßig funktionierten. Der erwartete und propagierte Produktivitätsvorteil drohte also verlustig zu gehen. Unsere Farben konnten das gut, das wurde zu einem Verkaufshit. Übrigens haben Verbände und Konkurrenz uns damals angegriffen, man können nicht ohne Mineralöl formulieren. Heute ist das Standard und gang und gäbe. So kam es, dass ich mich am Ende für Epple entschied.

Haben Sie sich immerhin frühzeitig für Farbchemie interessiert?

Im Studium bin ich den klassischen Weg gegangen und habe mich später auf organische Chemie spezialisiert. In meiner Promotion ging es darum, modifizierte DNA-Moleküle synthetisch herzustellen. Wenn man ehrlich ist, ist die „Farbchemie“ eines Druckfarbenherstellers auch eher ein Formulieren: Rohstoffe auswählen, zusammenmischen und optimieren. Angefangen habe ich bei Epple dann als Leiter Forschung und Entwicklung, und da liegt bis heute mein Interessensschwerpunkt. 2003 habe ich einen berufsbegleitenden MBA gemacht, das war hilfreich, um andere Unternehmer kennenzulernen – was sie besser machen und was schlechter.

Wenn Sie Farbe als Formel sehen, was ist dann das Spezielle an Farbe, das Besondere?

Farben und Drucken haftet immer auch das Thema Kunst oder Kunstwerke an. Das war auch lange ein Selbstverständnis in der Branche. Aber heute versucht man durch standardisierte Arbeitsweisen in Richtung industrieller Prozesse zu kommen. Wobei gerade bei der Bogenoffsetfarbe klar ist, dass man nie an eine Standardisierung wie etwa beim Autoserienlack rankommen wird; aber standardisierte Herstellung ist ein wichtiges Ziel. Die Emotionalität der Produkte liegt eher bei den Druckereien, die Umsetzung ist ja auch wirklich spannend, und Farbe transportiert auch immer Emotionen. Das läuft dann aber eher in den Bereichen Druckerei, Vorstufe, Agentur ab, die dann am Ende das rauskitzeln, was Farbe wirklich kann.

Druckfarbe ist ein überschaubarer, spezieller Bereich. Man sagt ihr seit Jahren eine Dauerkrise nach…

Naja, es ist doch das Schicksal eines Mittelständlers, dass er sich dauernd neu erfinden muss! Bisher haben wir es immer geschafft, im Lauf von etwa vier Jahren pünktlich zur Messe "drupa" Innovationen herauszubringen, die die Branche beeinflusst haben. Ich sehe keine „Dauerkrise“, aber sicher ein schwieriges Umfeld. Generell stehen Printprodukte für den täglichen Bedarf unter erheblichem Druck, und der ist durch Covid 19 und Lieferengpässe weiter gestiegen. Die Branche sortiert sich definitiv, und man muss gucken, wie man zu Rande kommt. Druck wird existent bleiben. Alles auf Faser und Papier bekommt zurzeit einen neuen Aufwind, schon durch das politische Umfeld wie den Green Deal oder die Diskussion um Plastik und Mikroplastik. Die Portionierungen werden anders sein, und da muss jeder seinen Platz finden. Flyer, Kalender, Prospekte werden weniger, aber Verpackungsdruck wird stabil sein, da wird es Themen geben, die bearbeitet werden müssen. Manche nehmen bei Innovationen und Neuerungen etwas das Tempo raus. Aber für mein Unternehmen kann ich sagen, wir wollen weiter nach vorne gehen.

Wenn Sie schon dabei sind: Haben Sie aktuell ein Lieblingsprodukt, mit dem Sie nach vorne gehen?

(lacht) Zurzeit gibt es zwei Themen, die uns besonders beschäftigen. Zunächst ist alles spannend und richtig anspruchsvoll, was in den Bereich „direct food contact“ geht. Außerdem liegt mir unser neues Projekt „PURe“ sehr am Herzen. Das haben wir auf Epple-Füßen entwickelt, jetzt aber als eigenständiges Startup ausgegliedert. Das ist eine komplett neue Farbtechnologie und hat viele Vorteile hinsichtlich Nachhaltigkeit.

Die wirtschaftliche Lage ist komplex. Hat ein Familienunternehmen in solchen Zeiten Vor- und Nachteile?

Kleine und mittlere Unternehmen können schneller handeln, haben in täglichen Fragen mehr Freiheit. Aber man muss sich den Konzentrationsprozessen entgegenstellen. Man hat eine Chance, solange man über einer kritischen Größe liegt. Bei uns geben 250 Mitarbeiter täglich ihr bestes, international sind wir rund 350. Viele Kunden schätzen diese Nähe, die Flexibilität und die kurzen Entscheidungswege. Da können sie manches in kleineren Einheiten schneller abwickeln. Von Spezialtäten alleine kann man aber nicht leben, und bei den großen Volumenprodukten muss man in Schlagweite der Großen auf der Kostenseite bleiben.

Was schätzen Kunden bei KMU besonders, wenn nicht den Preis?

Kunden schätzen den Ansprechpartner und die schnelle Umsetzung ihrer Wünsche. Aber Kundentreue hat in den letzten Jahren stark gelitten, das Kommerzielle steht im Vordergrund. Außendienst und persönliche Beziehungen sind zurückgegangen. Auch technische Lösungen fallen beim kommerziellen Abwägen oft hinten runter, weil der reine Einkaufspreis zählt und nicht die Gesamtbetrachtung im Prozess. Man muss Kunden Dinge ermöglichen, sich zu kennen reicht heute nicht mehr. Eine Balance zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Möglichkeiten für den Kunden zu schaffen, das ist die Herausforderung für den Mittelständler.

Was sind also die wichtigsten Kriterien für einen erfolgreichen Mittelständler aus Kundensicht?

Kompetenz, die muss man ausstrahlen. Dann Flexibilität. Und Innovationsfreude, die beweist, dass man mit den Großen in einer Liga spielt. Ein kurzer Weg zur Geschäftsführung ist für manchen auch förderlich.

Lässt sich mit diesen Eigenschaften auch die aktuelle Lage überstehen?

Die letzten Jahre waren für unsere Branche unglaublich schwierig. Die Rohstoffpreise galoppieren so davon, dass inzwischen die Rentabilität der Unternehmen in Frage steht, und das auf einem ohnehin schon gebeutelten Markt. Es gibt ein wahnsinniges Spannungsfeld bei den Rohstoffpreisen und den Verfügbarkeiten, die alles andere überlagern. Seit drei Jahren folgt ein Problem auf das nächste und man ist im permanenten Krisenmanagement. Schwieriger Markt, Pandemie, Containerkrise, Verfügbarkeit, Russland/Ukraine-Konflikt, Null-Covid-Strategie in China … Das ist auf die Dauer zermürbend.

Und in dieser komplexen Situation ist doch gerade Verbandsarbeit wichtig?

Ich nehme seit vielen Jahren Aufgaben im Verband wahr. Vor vielen Jahren habe ich meinen Vater in der TK Druckfarbe abgelöst. Bald ging es los mit Problemen wie ITX (Anm. d. Red.: 2005 wurden Rückstände dieses Rezepturbestandteils in UV-Lacken und -Farben aus Verpackungen in Babymilch festgestellt), bei denen sich die Druckfarbe aufstellen musste. Dann wurde klar, dass das alles Probleme sind, die auf europäischer Ebene gelöst werden müssen. Bald kam PIFOOD, dann PIFOOD Vision, dann wurde ich Vorsitzender der TK. Ich war also immer technisch unterwegs, musste aber in dieser Funktion auch in der Fachgruppe präsentieren. Nach der Anfrage des bayrischen Landesverbandes vor drei Jahren kam jetzt die Anfrage, ob das VdL-Präsidium etwas für mich wäre. Natürlich sollte die Druckfarbe im Präsidium vertreten sein, das unterstütze ich gerne.

Was bringt Ihnen Verbandsarbeit persönlich? Haben Sie Ziele?

Ich will gerne die Stimme der Druckfarbe im Präsidium sein und vielleicht andere von den Themen partiziperen lassen, die wir als Druckfarbe bereits weitergetrieben haben, besonders in der chemikaliengesetzgebung oder bei Lebensmittelverpackungen. Der Verband soll ein Forum sein. Hier kann man Themen aufschnappen und Positionen hören lassen, sonst hat man außerhalb seines Bereichs ja eher weniger Kontakt und die anderen Themen aus anderen Sektoren selten auf dem Schirm. Unsere Berührungspunkte gibt es zu grafischen Lacken und Klebstoffen, aber Schnittpunkte zu anderen Lackherstellern sind eher selten. Da kann ich auch für mich persönlich viel rausziehen. Auf der technischen Seite ging das immer gut, jetzt bin ich auf so manches Nähkästchen gespannt.

Wir haben viel über Tradition gesprochen und Sie haben die Probleme der Branche klar benannt. Würden Sie Ihrem Sohn raten, in die Unternehmensfolge einzutreten?

Ich würde ihm auf jeden Fall raten, Unternehmer zu werden, wenn das seiner Persönlichkeit entgegenkommt. Die Freiheit, Dinge machen zu können, ist einfach spannend. Die Branche will aber gut gewählt sein, und es reicht nicht, dass schon etwas da ist. Aber wenn wir endlich wieder in einen gestalterischen Prozess kommen, würde ich auch bei Farben zuraten. So habe ich das damals auch entschieden. Klare Abwägung: Macht es Sinn? Und Spaß machen soll es ja auch. Das hat ja alles noch Zeit, er ist 12 Jahre alt.

Und am Ende folgt immer die Frage nach der eigenen Lieblingsfarbe, und wir vermuten mal: „Epple“-Orange?!?

Gelb, ganz einfach, weil es schon immer so war.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Alexander Schneider.


Kurzbiografie von Dr. Carl Epple

  • 1967 geboren in München
  • 1986 Abitur am humanistischen Gymnasium bei St. Stephan in Augsburg
  • 1988-1992 Chemiestudium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich
  • 1993-1997 Promotion an der Universität Bern im Gebiet der bioorganischen Chemie
  • 1998 Eintritt bei Epple Druckfarben als Leiter F+E
  • 2001-2003 Berufsbegleitendes MBA-Studium an der Universität Augsburg
  • 2007 Bestellung zum Vorstand