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Giftinformationszentren: Meldung mit Ärgernissen

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Knapp drei Monate nach Einführung der harmonisierten Meldungen bestätigt eine VdL-Mitgliederumfrage die Befürchtungen der Branche. Vor allem die Technik macht Probleme.

Erste Erfahrungen mit der harmonisierten Meldung

Seit 1. Januar 2021 sind Hersteller von Verbrauchergemischen und Gemischen für gewerbliche Verwendungen – sofern diese als gefährlich eingestuft sind – verpflichtet, eine harmonisierte Produktmeldung durchzuführen. Eine Machbarkeitsstudie hatte gerade der Farben-, Lack- und Druckfarbenindustrie besondere Betroffenheit bescheinigt und einen Anstieg der jährlichen Meldungen um das 300-fache auf insgesamt 44,5 Millionen vorhergesagt.

Der VdL hat sich intensiv für eine praktikable Ausgestaltung der Regelungen um die Meldeverpflichtung eingesetzt und hat nun seine Mitglieder per Umfrage gebeten, Ihre Erfahrungen darzulegen. Innerhalb von drei Wochen haben sich 45 Mitgliedsunternehmen beteiligt.

Vorbereitung der Meldungen

Die teilnehmenden Mitgliedsunternehmen haben sich demnach intensiv auf die Meldungen an die Giftinformationszentren vorbereitet. So investierten fast zwei Drittel in neue Software bzw. Updates der bereits existierenden Software. 31% der Unternehmen bereiteten ihre Stoffdaten für die bevorstehenden Meldeverpflichtungen auf.

Neben der Stammdatenpflege und neuer Softwareprogramme sind Fachkräfte eingestellt worden. Die Mitarbeiter nahmen an Schulungen teil, Rezepturen wurden angepasst und die Kommunikation insbesondere mit den Vorlieferanten intensiviert.

Meldungen in der Farben-, Lack- und Druckfarbenindustrie

Europaweit planen unsere Mitglieder, natürlich abhängig vom jeweiligen Produktportfolio, Meldungen von einigen 100 bis zu 150.000. Viele Gruppenmeldungen wurden bereits vor dem 1. Januar 2021 bei den nationalen benannten Stellen – in Deutschland das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) – getätigt. Fast die Hälfte der Mitgliedsfirmen (45 %) haben vor dem Stichtag 1. Januar an die nationalen Portale gemeldet, immerhin 40 % bereits über das ECHA-Meldeportal.

Die meisten VdL-Mitgliedsfirmen (61%) nutzen für die Meldung eine sogenannte System-to-System Schnittstelle in der eigenen Software, immerhin fast 16% melden direkt über das europäische ECHA-Portal. Dabei sind die System-to-System Meldungen teilweise recht schnell zu realisieren. Hierfür werden zwischen 2 und bis zu 90 Minuten aufgewendet, je nach Komplexität des Gemisches und notwendiger Datenrecherche. Für manuell eingegebene Meldungen sind mehrere Stunden bis sogar Tage notwendig.

Die Umstellung auf die europäisch harmonisierte Meldung an die Giftinformationszentren ist auch nicht unbedingt günstig zu realisieren: So haben die VdL-Mitgliedsfirmen jeweils ab einigen Tausend Euro bis zu 250.000 Euro für Software, Rezepturumstellungen, Fachkräfte und Schulungen investieren müssen.

Einige Mitgliedsfirmen arbeiten aber noch daran, die neuen Verpflichtungen umzusetzen. 70% planen, erst bis Mitte des Jahres Meldungen durchführen zu können, 30% benötigen nach eigener Auskunft noch mehr Zeit.

Weitere Herausforderungen im Zuge der Meldeverpflichtung

Insgesamt schätzen die Mitgliedsfirmen die Zeit, die nach der Bereitstellung der IT-Tools für die Umsetzung zur Verfügung stand, als viel zu kurz ein. Viele Softwarelieferanten arbeiten noch immer an ihrer System-to-System-Lösung und daran, die Anforderungen der 2. Änderungsverordnung, die erst kurz vor Jahresende 2020 veröffentlicht wurde, in die Software zu implementieren. Hinzu kommt, dass der entsprechende EU-Leitfaden zum 1. Januar 2021 nicht vorlag, so dass viele Umsetzungsfragen noch immer offen sind.

Die Softwareanbieter sind gezwungen, regelmäßig ihre Produkte anzupassen, was häufige Fehlermeldungen bei den Produktmeldungen zur Folge hat.

Ein weiteres Ärgernis ist, dass die Rohstoffe nicht in der ECHA-Datenbank hinterlegt sind und somit wiederholt intensive Recherche und eigenes Anlegen der Daten für eine Meldung notwendig machen. Auch sind doppelte Eingaben notwendig, da eine Datenübernahme aus nationalen Systemen nicht möglich ist. Zu Komplikationen bei den Meldungen kann es zudem kommen, wenn Vorlieferanten in den Meldeprozess mit einbezogen werden müssen.

So scheinen sich viele Bedenken der Branche bewahrheitet zu haben, und die Mammutaufgabe, vor die die Hersteller von Farben, Lacken und Druckfarben mit der harmonisierten Meldung an die Giftinformationszentren gestellt wurden, konnte noch nicht von allen bewältigt werden.


Aline Rommert
ist beim Verband Referentin für
Produktsicherheit, Nanotechnologie,
technische Gesetzgebung und REACH.
rommert@vci.de