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EPD: mit Fakten zur Nachhaltigkeit

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Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern eine zentrale Anforderung an Bauwerke und -produkte und damit ein Erfolgsfaktor für die Bauwirtschaft. Für ihre Bewertung sind präzise Informationen zu Baustoffen unerlässlich. Umwelt-Produktdeklarationen haben sich in Deutschland als transparenter und glaubwürdiger Standard etabliert. 

Das Thema „nachhaltiges Planen und Bauen“ hat stark an Bedeutung gewonnen. Hintergrund dieser Entwicklung ist die enge Verknüpfung zwischen dem Bauwesen und der Klimadebatte: Bauwerke zählen zu den ressourcen- und energieintensivsten Eingriffen des Menschen in natürliche Prozesse. Ziel ist es daher, ökologische, ökonomische, soziokulturelle und technische Aspekte systematisch in Planung, Bau und Betrieb von Gebäuden zu integrieren, um die Lebensqualität heutiger und künftiger Generationen zu sichern. 

Bei Bauvorhaben wird die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zunehmend reguliert. Aktuelle Regelungen wie die neue Bauproduktenverordnung (EU) 2024/3110 und internationale Standards wie die DIN EN 15804 (Umweltdeklarationen von Bauprodukten) bilden die Grundlage für eine ganzheitliche Bewertung und Umsetzung nachhaltiger Bauprojekte. 

Produktbewertungen im Lebenszyklus von Bauwerken 

Die Wahl der Baustoffe und deren Verarbeitung beeinflussen die Nachhaltigkeit eines Bauwerks entscheidend. Um diese Aspekte fundiert bewerten zu können, sind präzise Informationen zu den einzelnen Komponenten notwendig. Genau hier setzt die Umwelt-Produktdeklaration (engl. Environmental Product Declaration, EPD) an. 

Kernstück jeder EPD ist eine Ökobilanz, die den Energie- und Ressourcenverbrauch von der Rohstoffgewinnung über die Produktion, die Transporte und den Einbau ins Gebäude bis zum Ende der Nutzungsphase mit Entsorgungs- bzw. Recyclingmöglichkeiten detailliert darstellt. 

Als international anerkanntes, standardisiertes und neutrales Informationsinstrument liefert die EPD sämtliche umweltrelevanten Eigenschaften eines Produkts. Dazu gehören Aussagen zum Energie- und Rohstoffeinsatz, über das Abfallaufkommen und Aussagen darüber, in welchem Ausmaß ein Produkt beispielweise zu Treibhauseffekt, Versauerung, Überdüngung, Zerstörung der Ozonschicht und Smogbildung beiträgt. Sie bildet damit eine essenzielle Grundlage für die Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden – sowohl für Zertifizierungsstellen als auch für Planer, Architekten und Bauherren. 

Wie eine Umwelt-Produktdeklaration (EPD) entsteht

Die Erstellung einer EPD im Rahmen des Programms des Institutes Bauen und Umwelt (IBU) erfolgt in mehreren Schritten: 

1. Grundlage: Produktkategorie-Regeln (PCR) 

Jede EPD basiert auf den sogenannten Produktkategorie-Regeln (Product Category Rules, PCR). Diese bestehen aus einem allgemeinen Teil mit methodischen Vorgaben zur Ökobilanzierung und einem spezifischen Teil, der die Anforderungen an Produktgruppen definiert. 

2. Datensammlung und Ökobilanz 

Auf Basis der PCR werden die notwendigen Daten erhoben und eine Ökobilanz für das jeweilige Produkt berechnet. Diese Aufgabe übernehmen in der Regel externe Ökobilanzdienstleister, da das IBU selbst keine inhaltliche Beratung oder Bilanzierung durchführt. 

3. EPD-Erstellung über die EPD-Online Plattform 

Die eigentliche EPD wird digital über die EPD-Online Plattform des IBU erstellt. Diese Plattform gewährleistet ein einheitliches Layout, maschinenlesbare Daten und eine transparente Bearbeitung durch alle Beteiligten. Der Inhalt einer IBU-EPD umfasst: 

  • Produktbeschreibung: Angaben zum Produkt, Hersteller, Anwendungsbereich und technische Eigenschaften.
  • Systemgrenzen und Szenarien: Definition der betrachteten Lebenszyklusphasen (z. B. Herstellung, Nutzung, Entsorgung) und Annahmen zu Transport, Energieeinsatz oder Recycling.
  • Ökobilanzdaten (Life Cycle Assessment, LCA): Quantitative Angaben zu Umweltwirkungen wie Treibhauspotenzial (CO₂-Emissionen), Versauerung, Eutrophierung, Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen.
  • Zusätzliche Informationen: Hinweise zu Normen, Prüfungen, Zertifizierungen oder besonderen Umwelt- und Gesundheitsaspekten. 

4. Verifizierung durch unabhängige Dritte 

Vor der Veröffentlichung wird jede EPD und der Hintergrundbericht durch unabhängige Verifizierer nach den Grundsätzen der ISO 14025, der EN 15804 und den Programmregeln des IBU geprüft. Dieser Schritt stellt sicher, dass die Angaben korrekt, nachvollziehbar und normkonform sind. 

5. Veröffentlichung und Nutzung 

Nach erfolgreicher Verifizierung wird die EPD in der IBU-Datenbank veröffentlicht und steht Planern, Auditoren und anderen Interessierten zur Verfügung. 

Verbands-Umwelt-Produktdeklarationen für Farben, Lacke und Putze 

Die ersten EPD wurden vom Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) bereits im Jahr 2010 entwickelt und nach der Verifizierung durch das Institut Bauen und Umwelt (IBU) veröffentlicht. Seither werden die EPD regelmäßig überarbeitet und an aktuelle normative Anforderungen angepasst – zuletzt an die überarbeitete Norm EN 15804+A2. Zu den jüngsten vom IBU veröffentlichten EPD zählen zwölf Verbands-EPD für Dispersionsfarben, -lacke und organische Putze sowie verwandte Produkte. Diese umfassen die Produktgruppen lösemittelfreie dispersionsbasierte Produkte, lösemittelhaltige dispersionsbasierte Produkte, Innenwandfarben mit Nassabriebbeständigkeit Klasse 1, 2 und 3 und Fassadenfarben auf Dispersionsbasis sowie Dispersionsputz, Dispersionssilikatputz, Silikonharzputz, Kleber und Unterputz mit organischem Bindemittel sowie Haftvermittler auf Dispersions- und auf Dispersionssilikatbasis. Neben diesen aktualisierten Umwelt-Produktdeklarationen für Farben und Lacke gibt es drei weitere Verbands-EPD für Pulverlacke. Diese decken die Produktgruppen Epoxid-Pulverlack, Hybrid-Pulverlack und Polyester-Pulverlack ab. Darüber hinaus befinden sich derzeit 14 weitere EPD für Holz- und Industrielacke in der Erstellung. 

Alle Verbands-EPD stehen hier zur Verfügung.

Dr. Sandra Heydel

Technische Referentin für die Themen
Bautenanstrichmittel,
Putz & Dekor,
Innenraumluft und Nachhaltigkeit

Tel.: +49 69 2556 1714
eMail: heydel@vci.de