Bildung und Forschung

Intelligente Schichten – Intelligent beschichten

|   Startseite weiß

Die „Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke (FPL)“ mit Sitz in Stuttgart feierte jüngst das 75-jährige Bestehen und sieht ihren Auftrag in der Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Pigmente, Lacke und weiterer Komponenten von Beschichtungsstoffen und Beschichtungen sowie von Beschichtungstechniken. Die Schwerpunkte der Forschungsvereinigung sind daher insbesondere die Forschungsförderung, Forschungskommunikation und Förderung der Aus-/Fortbildung. Michael Hilt ist seit 2009 Geschäftsführer. Bevor der promovierte Chemiker am 1. November 2025 seine Aufgaben deutlich reduzieren wird, haben wir mit ihm auf prägende 16 Jahre zurückgeschaut.

Hintergrund

Michael Hilt ist Direktor für „Oberflächen und Materialien“ am Fraunhofer IPA und stellvertretender Institutsleiter des IPA sowie Geschäftsführer der Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke, Stuttgart, FPL. Darüber hinaus ist er in internationalen gemeinnützigen Organisationen seines Arbeitsbereichs, wie bspw. FATIPEC, tätig. 

Hilt, geboren 1959 in Stuttgart, begann seine berufliche Ausbildung mit einem Studium der Polymerchemie. Für seine Diplomarbeit und seine Doktorarbeit arbeitete er von 1984 bis Anfang 1988 am Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke (FPL) in Stuttgart. Hinzu kam 2000 der Executive MBA (Distance Learning) an der Heriot-Watt University in Edinburgh. 

1988 trat er als Spezialist für Lackierung und Korrosionsschutz in die Daimler-Benz AG ein und arbeitete dort mehr als 21 Jahre in unterschiedlichen Funktionen im Bereich Oberflächenschutz. Im Mai 2009 kehrte er zum FPL zurück und wurde dort Geschäftsführer. Ab 2016 war er auch stellvertretender Leiter des Fraunhofer IPA und Leiter des Bereichs Oberflächenund Materialtechnik. Seit Juli 2024 ist Hilt Wissenschaftlicher Direktor für Oberflächen und Materialien am Fraunhofer IPA.

Dr. Hilt, die „Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke“ (FPL) gibt es seit 75 Jahren, bitte beschreiben Sie uns kurz die Aufgaben dieser Institution.

Der Verein „Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke e.V. (FPL)“ wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine Initiative der deutschen Lack- und Farbenindustrie gegründet. Diese wollte damals die Forschung auf dem Gebiet der Lackund Rohstoffherstellung intensivieren, um mit gemeinschaftlicher Forschung und unter Nutzung von wissenschaftlichen Methoden und Konzepten das bisher vorwiegend empirische Vorgehen bei der Entwicklung und Bewertung von Beschichtungsstoffen, deren Komponenten und auch von Beschichtungen zu ersetzen, um damit bessere Ergebnisse im Markt erzielen zu können. Diese Idee hat sehr lange getragen und sie ist auch noch heute einer der Leuchttürme der aus dem Forschungsinstitut 2009 entstandenen „Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. (FPL)“. 

Warum war dieser Schritt erforderlich? 

Institute wirtschaftsnaher „Angewandter Forschung“ benötigen neben öffentlichen Mitteln auch Mittel der Industrie, um ihre Forschungsaufgaben mit kompetentem Personal durchführen zu können. Um die durch das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht vorgegebene Balance der beiden Aufgabenfelder zu sichern, entschied sich der damalige FPL-Vorstand nach einem länger dauernden Strategieprozess dafür, die direkten Forschungsaufgaben, das Personal und das Forschungsgebäude an die Fraunhofer- Gesellschaft zu übertragen und die Forschungsförderung in einer Forschungsfördergesellschaft weiterzuführen. So bündeln wir heute Interessen und Themen unserer Mitglieder und unserer Mitglieder der Mitglieder (VdL, VdMi) und werben für Vorlaufforschung öffentliche Mittel insbesondere der Industriellen Gemein- schaftsforschung (IGF) ein, die anschließend an Forschungseinrichtungen zur Themenbearbeitung weitergereicht werden. 

Die FPL ist als Verein mitgliedschaftlich organisiert. Viele Unternehmen, aber auch Hochschulen und Verbände sind Mitglied. Was verbindet diese bei allen unterschiedlichen Interessen? 

Wir haben aktuell ca. 40 direkte Mitglieder, die die Branche gut abdecken. Thematisch gestützt werden wir durch die bereits genannten Verbände VdL und VdMi, deren Mitglieder zu einem nicht unerheblichen Anteil kleine und mittelgroße Unternehmen sind – die Zielgruppe der IGF. Aus diesem Teil des Netzwerks entsteht thematischer „Market Pull“. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind für den „Technology Push“ zuständig und liefern neue Ideen aus der Wissenschaft, die in den durch die FPL vertretenen Branchen nutzbringend in die Praxis umgesetzt werden können. Das Verbindende in diesem Netzwerk sind die Knoten zwischen Theorie und Praxis und das gemeinsame Interesse, trotz vieler und immer wieder wechselnder Hype-Themen die reife Querschnitts- und Schrittmachertechnologie „Oberflächentechnik“ im öffentlichen und politischen Bewusstsein zu halten, Forschungsförderung zu erhalten, und in diesem Aufgabenfeld entsprechende Fortschritte zu erzielen. 

Können Sie uns kurz die enge Verbindung zwischen FPL und dem „Fraunhofer- Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA)“ erläutern? 

Wie bereits angesprochen, wurde das forschende Personal des „alten FPL“ 2009/2010 in das Fraunhofer IPA übernommen. Die nutzbringende Verbindungsfunktion wurde durch die Leitung der Forschungsabteilung der Oberflächentechnik im Fraunhofer IPA und der Geschäftsführung der „neuen FPL“ in Personalunion sichergestellt. Dieses Konzept hat in den letzten 16 Jahren sehr gut getragen. 

Sie waren 16 Jahre Geschäftsführer des FPL und sind auch beim Fraunhofer IPA aktiv. Können Sie uns Meilensteine der vergangenen Jahrzehnte nennen? 

Neben dem spannenden Prozess des Übergangs mit der Integration von Personen und Prozessen in die Logik der Fraunhofer-Gesellschaft in den Jahren nach 2009 gab es erfreulicherweise auch eine große Vielzahl von durchgeführten Projekten, die die Forschungsgesellschaft maßgeblich initiiert hatte: So konnten neue Korrosionskurzzeitprüfungen vorangebracht werden, es wurden Projekte zum Polymerabbau und dessen Vorhersage bei Witterungseinflüssen durchgeführt, der fotokatalytische Abbau von Schadstoffen wurde intensiv untersucht, Smart Coatings und funktionale Beschichtungen wurden bearbeitet, und auch die Beschichtung von Pigmenten, Fasern und Füllstoffen mit neuen Verfahren sowie nanotechnologische Konzepte und Systeme spielten eine wichtige Rolle. In jüngerer Zeit steht die Verwendung biobasierter Rohstoffe für die Oberflächentechnik im Fokus, und es wurde eine ganze Reihe von Projekten mit dem Ziel des besseren Verständnisses der Applikation von Beschichtungsstoffen durch den Einsatz der numerischen Simulation – heute als Digitalisierungskonzepte bezeichnet – erfolgreich abgeschlossen. 

Ein Schwerpunkt der FPL ist natürlich die Forschungsförderung, gibt es hier zurzeit Leuchtturmprojekte, die Sie besonders hervorheben wollen? 

Besonders gefreut hat mich, dass wir 2023 den begehrten „Otto-von Guericke- Preis“ der AiF (damals: „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen“) für das beste IGF-Projekt (Industrielle Gemeinschaftsforschung) in diesem Einreichungsjahr zugesprochen bekommen haben. Das Thema des Projekts war, ein besseres Verständnis der Material-/Applikationseigenschaften im Bereich des oversprayfreien Lackierens zu erarbeiten. Das Projektergebnis ist sehr wichtig im Fokus von Ressourceneffizienz und der Vermeidung von Overspraypartikeln. Neben diesem lackiertechnischen Thema ist die bereits erwähnte Verwendung biobasierter Rohstoffe für Bindemittel, aber auch für Pigmente und Füllstoffe sehr wichtig – auch für zukünftige Projekte. Und aktuell besteht die Erwartung, dass durch Digitalisierung und KI-Methoden in vielen Prozessen unseres Fachgebiets erhebliche Produktivitätsfortschritte zu erzielen sein werden. 

Forschung ist stets teuer und komplex. Welchen praktischen Nutzen hat z.B. ein KMU, wenn es bei Ihnen Mitglied wird? 

Forschung ist tatsächlich aufwändig und in der Regel nur dann „echte Forschung“, wenn Ansätze und Ideen auch scheitern können – genau dafür und zur Minderung dieses letztendlich finanziellen Risikos für die Forschungseinrichtungen werden öffentliche Mittel vergeben. Die Forschungsvereinigung FPL und die mit uns kooperierenden Forschungseinrichtungen allerdings bewegen sich im Rahmen der IGF im Feld der „Angewandten Forschung“ und arbeiten eng mit den Mitgliedern und Partnern in den Projektausschüssen zusammen an der Lösung vorwettbewerblicher Fragestellungen, deren Antworten dann auch schwellenarm in der Praxis Einsatz finden können. Ich kann daher nur alle – insbesondere auch Vertreterinnen und Vertreter von KMU – ermuntern, unser Netzwerk zu unser aller Nutzen kräftig zu stärken und direktes Mitglied in der Forschungsgesellschaft zu werden! 

Wie würden Sie die vergangenen 16 Jahre zusammenfassen? Was sind die aktuellen Herausforderungen? 

Grundsätzlich haben wir es als Forschungsgesellschaft in Abstimmung mit den Forschungseinrichtungen hinbekommen, an den richtigen Themen unseres Fachgebiets wissenschaftlich zu arbeiten, wenngleich die Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis immer besonderes Engagement erfordert und sich in der Regel langwieriger als geplant darstellt. Viele der genannten Themen wirken in die Zukunft, und es wird sich zeigen, wie z. B. Digitalisierung/Künstliche Intelligenz zu einer Beschleunigung von Entwicklungsprozessen beitragen werden. Andererseits sind Beschichtungssysteme und die Lackiertechnik thematisch und wirtschaftlich so breit, interessant und zukunftsrelevant, dass ich überzeugt bin, dass es zukünftig weitere Kernthemen geben wird, die wir momentan noch nicht aktiv bearbeiten. Und deshalb werde ich in der FPL in dieser Phase des Übergangs zunächst noch aktiv bleiben! 

Das Interview führte Alexander Schneider