Lacke & Farben aktuell

Im Dialog mit dem Kommissar

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Dr. Anette Rose hat für den VdL und CEPE am „Implementation Dialogue on Biocides“, teilgenommen und dort die Lackindustrie vertreten. Eine interessante Erfahrung, von der sie hier berichtet.

Dr. Anette Rose studierte Biologie an den Universitäten Bochum und Tübingen. Seit 2003 ist sie bei der Kurt Obermeier GmbH tätig, wo sie zunächst die Umsetzung der Biozidprodukterichtlinie (seit 2012 Biozidprodukteverordnung) im Bereich Holzschutz verantwortete. Seit 2023 leitet sie als Head of Compliance and HSE die unter- nehmensweiten Aktivitäten in den Bereichen Rechtssicherheit, Nachhaltigkeit und Arbeitssicherheit.

Frau Rose, Sie haben am „Implementation Dialogue on Biocides“ mit EU-Kommissar Olivér Várhelyi teilgenommen und dort mit Pascal Tisseyre (PPG) die Branche vertreten. Wozu dient dieses Format? 

Dieses Format wurde von der EU-Kommission ins Leben gerufen, um den Austausch zur europäischen Gesetzgebung mit den Stakeholdern zu verbessern. Kommissar Várhelyi hat für seinen ersten Implementationdialogue als Thema die Umsetzung der Biozidprodukteverordnung ausgewählt, auch im Hinblick auf die anstehende Revision der Verordnung. 

Welche Ziele verfolgt der Dialog – geht es um konkrete Änderungen oder eher um eine bessere Kommunikation zwischen Behörden und Industrie? 

Die 19 Vertreter aus der Industrie und von NGOs haben verschiedene Interessengruppen repräsentiert. Aus der Industrie waren es Wirkstoffhersteller, Biozidproduktehersteller und Anwender von Biozidprodukten. Neben der Lackindustrie, in der die Produktarten 6, 7 und 8 hergestellt und verwendet werden, waren auch andere Produktarten wie Antifouling, Desinfektion und Rodentizide vertreten. Die Teilnehmer konnten anhand von Leitfragen die aus ihrer Sicht größten Herausforderungen, positive Aspekte der Verordnung und Änderungsvorschläge adressieren. 

Sie arbeiten beim mittelständischen Unternehmen Obermeier GmbH. Wo gab es da konkrete Berührungspunkte, und warum war es Ihnen wichtig, an dem Format teilzunehmen? 

Die Kurt Obermeier GmbH ist Hersteller von Biozidprodukten, in unserem Fall Holzschutzmitteln. Wir haben schon einige Zulassungsverfahren durchlaufen und bereiten uns bereits auf die ersten Wiederzulassungen vor. Als europäisches, mittelständisches Unternehmen haben wir die Gelegenheit sehr gern genutzt, unsere Perspektive aktiv in den Dialog einzubringen. Welche Themen wurden bei der Sitzung konkret angesprochen und welche Punkte waren aus Sicht der Lackindustrie zentral? Es ging im Wesentlichen, um die Punkte, die auch im CEPE-Positionspapier gefordert werden: Kürzere Verfahren, größere Rechtssicherheit, ab wann neue Datenanforderungen umgesetzt werden müssen und die Verlängerung des Datenschutzes parallel zur Verlängerung des Reviewprogramms. 

Als Vertreter der Lackindustrie sind wir aus Hersteller- und aus Verwendersicht noch auf spezifischere Punkte eingegangen: Eine kritische Neubewertung des gefahrenbasierten Ansatzes der BPR ist im Rahmen der Revision erforderlich. Zwar setzt die BPR bereits hochprotektive, risikobasierte Szenarien zur sicheren Verwendung von Biozidprodukten um, doch werden diese Bewertungen häufig durch die gefahrenbasierten Ausschlusskriterien überlagert. Dies führt dazu, dass Antragsteller gezwungen sind, komplexe sozioökonomische Begründungen vorzulegen, um eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten – selbst in Fällen, in denen eine sichere Verwendung nachgewiesen wurde. 

Um eine echte regulatorische Vereinfachung zu erreichen, sollte die Biozidprodukteverordnung (BPR) konsequent am Grundsatz „eine Substanz, eine Bewertung“ ausgerichtet werden. Risiken im Zusammenhang mit bestimmten Beistoffen sollten ausschließlich im Rahmen der REACH-Beschränkungsverfahren adressiert werden.

Und schließlich: Für die sichere Herstellung von Farben und Lacken sind Biozidprodukte unverzichtbar, um Mikroorganismen in den Anlagen zu kontrollieren. Die Auswahl geeigneter Produkte sinkt kontinuierlich, da immer weniger Unternehmen die aufwendigen und kostenintensiven Zulassungsverfahren durchlaufen. Für die europäische Lackindustrie entsteht dadurch ein Wettbewerbsnachteil zu außereuropäischen Produktionsstätten. 

Man sitzt nicht oft mit einem EU-Kommissar an einem Tisch. Haben Sie sich speziell vorbereitet, und konnten Sie die spezifischen Themen ansprechen? 

War der Kommissar im Thema? Das Format hat einen Austausch über die Themen nicht erlaubt. Die einzelnen Speaker konnten Ihre Positionen in streng limitierten Zeitfenstern vortragen, ohne dass es zu Rückfragen kam. Da dies von der Kommission im Vorfeld angekündigt worden war, haben sich alle Teilnehmer auf wenige Hauptpunkte beschränkt, die für die jeweilige Interessensgruppe vorrangig sind. 

Für mich überraschend war allerdings die Deutlichkeit, mit der Kommissar Varhelyi in seiner Einleitung das Scheitern des Review- Programms adressiert hat. Er hat angekündigt, dass es ein ‚Weiter so‘ nicht geben wird, und es zu einer Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren kommen muss. Bereits zum Jahresende sollen erste Maßnahmen verabschiedet werden. Auch die Revision der Verordnung soll unter der Prämisse ‚Vereinfachung und Beschleunigung‘ stehen, ohne die Schutzziele für Mensch und Umwelt zu vernachlässigen. 

Was wünschen Sie sich konkret als Ergebnis des „Implementation Dialogue on Biocides“ für die Lack- und Farbenindustrie? Können wir davon ausgehen, dass die Ergebnisse in die anstehende Revision der BPR einfließen? 

Diese Frage kann wahrscheinlich erst in einiger Zeit beantwortet werden, wenn erste konkrete Maßnahmen auf dem Tisch liegen. Wir wünschen uns, dass der Dialog weitergeht und es zu einem tatsächlichen Kurswechsel bei der Revision kommt.

 

- Das Interview führte Alexander Schneider