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Der „Clean Industrial Deal“ – neue Hoffnung für Europa?
Im Februar 2024 war Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die „Antwerpener Erklärung für einen europäischen Industriepakt“ von hochrangigen Industrievertretern überreicht worden. Die zentrale Forderung der Erklärung, die inzwischen über 1300 Firmen und Verbände unterzeichnet haben, war, dass dem Green Deal ein Industrial Deal ergänzend zur Seite gestellt werden sollte, damit die Wettbewerbsfähigkeit wieder in den Fokus der Politik gerückt wird. Fast genau ein Jahr später stellte die Kommissionspräsidentin in Antwerpen ihren Deal für eine saubere Industrie für Wettbewerbsfähigkeit und Dekarbonisierung in der EU vor.
Angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Krise und der überbordenden Bürokratie und Regulatorik, durch welche die Industrie in der EU ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßt und den Anschluss zu verlieren droht, hatte die EU-Kommission versprochen zu liefern. Mit Spannung war daher die Veröffentlichung des Clean Industrial Deal erwartet worden. Bei der Vorstellung in Antwerpen vor hochrangigen Unternehmensvertretern, bei der auch VdLHauptgeschäftsführer Martin Kanert vor Ort war, betonte Ursula von der Leyen: „Mit dem Deal für eine saubere Industrie sollen die für unsere Unternehmen noch bestehenden Fesseln gekappt werden. Außerdem soll ein klarer Business Case für Europa vorgelegt werden.“
Insgesamt bekräftigt der „Clean Industrial Deal“ viele der Ziele des Green Deal, allen voran die Klimaziele. Gleichzeitig markiert er jedoch eine Neuausrichtung der industrie- und klimapolitischen Agenda der EU, indem nun die Wettbewerbsfähigkeit im Zentrum steht. Im Fokus stehen die energieintensiven und Clean-Tech-Industrien und die Frage, wie eine preiswerte Energieversorgung erreicht und sichergestellt werden soll. Der „Clean Industrial Deal“ nimmt konkret sechs „wirtschaftliche Triebkräfte“ in den Blick.
1. Niedrigere Energiekosten Der sogenannte „Affordable Energy Action Plan“ zielt darauf ab, Energiekosten zu senken, Investitionen zu fördern und die Marktintegration zu verbessern.
2. Ankurbelung der Nachfrage nach sauberen Produkten Hier sind vor allem dirigistische Maßnahmen, welche die Nachfrage ankurbeln und „Leitmärkte“ schaffen sollen, angedacht.
3. Finanzierung der Energiewende Geplant ist die Anpassung des Beihilferahmens sowie die Bereitstellung von Finanzmitteln, um Subventionen und Kredite zur Förderung einer umweltfreundlichen Fertigung in der EU zu mobilisieren.
4. Kreislauffähigkeit und Zugang zu Rohstoffen Die Kreislauffähigkeit soll zum Kernstück der Dekarbonisierungsstrategie werden. Außerdem ist ein Rechtsakt über die Kreislaufwirtschaft für das Jahr 2026 angekündigt, um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen.
5. Globalen Handel Ergänzend zu den bestehenden und neu hinzukommenden Handelsabkommen wird die Kommission in Kürze die ersten Partnerschaften für sauberen Handel und Investitionen auf den Weg bringen. Ferner soll auch das CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) vereinfacht und ausgebaut werden.
6. Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften Die Kommission wird eine Union der Kompetenzen einrichten, die in die Beschäftigten investiert, Kompetenzen entwickelt und hochwertige Arbeitsplätze schafft.
Unter dem Titel „Implementing the Clean Industrial Deal across sectors“ werden sektorielle Maßnahmen angedacht, ein „Chemicals Industry Package“ ist für Ende 2025 angekündigt. Es soll die strategische Rolle des Chemiesektors als „Industrie der Industrien“ anerkennen. Es werden gezielte Initiativen vorschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu verbessern, ihn zu modernisieren sowie die Produktion und Innovation in Europa zu unterstützen. Sehr viel über die Inhalte ist noch nicht bekannt, aber klar ist, dass eine gezielte REACH-Revision im Zentrum stehen wird.
VdL-Kommentar: Ein echter Business-Case für Europa?

Es war beeindruckend zu sehen, wie viele Industrievertreter sich am 26. Februar 2025 auf den Weg nach Antwerpen gemacht hatten; rund 500 Persönlichkeiten hatten sich in der Antwerpener Handelsbeurs versammelt, um der Kommissionspräsidentin zu signalisieren: Die EU-Kommission muss jetzt handeln, um das Ihre dazu beizutragen, dass die europaweit strauchelnde Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Aus Sicht des VdL bedarf es dazu vor allem eines Rückbaus der überbordenden regulatorischen Vorschriften, die seit Jahrzehnten aufgebaut und in Umsetzung der Vorgaben des Green Deals in den vergangenen fünf Jahren einen traurigen Höhepunkt erreicht haben. In diesem Sinne ist es sehr zu begrüßen, dass die EU-Kommission mit Verkündung des Clean Industrial Deal ein Bekenntnis zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ablegt, und ihr Handeln danach ausrichten will. Der Clean Industrial Deal beschreibt, wie im Artikel dargestellt, die Themenfelder, derer sich die Kommission im Laufe ihrer Amtszeit annehmen will. Für unsere Industrie enthält der Deal noch nicht viel Konkretes, stellt aber ein wichtiges Signal dar und lässt auf eine an der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie orientierte Ausgestaltung der spezifischeren Maßnahmen hoffen. Allerdings weht auch durch den Clean Industrial Deal der Wind eines industriepolitischen Interventionismus, den wir bereits aus dem Green Deal kennen. Sollte beim Green Deal die Transformation ganz wesentlich durch regulatorische Maßnahmen herbeigeführt werden, scheint es, dass die Kommission die Umsetzung der Ziele des Clean Industrial Deal zu großen Teilen über staatliche Eingriffe erreichen will. Die Rückkehr auf den Wachstumspfad kann nach meiner Überzeugung aber nur gelingen, wenn sich grundsätzlich ein neuer Geist in der Politikgestaltung durchsetzt: Die parallel zum Clean Industrial Deal veröffentlichten Omnibus-Vereinfachungen zu CSRD, CSDDD und anderen Regularien werten wir als einen überaus positiven Anfang. Wenn es gelingt, das Chemicals Industry Package nicht nur auf die REACH-Revision zu beschränken, sondern größer zu denken und Vereinfachungen und Verbesserungen bei CLP, der ESPR, der PPWR und vieler anderer Vorschriften zu erreichen, dann kann der Clean Industrial Deal zu einem echten Business Case für Europa werden.
- Dr. Martin Kanert, Hauptgeschäftsführer des VdL

Dr. Christof Walter
Geschäftsführer
Tel.: 069 2556 1719
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