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Parlamentarisches Frühstück: Wichtige Themen zur richtigen Zeit

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Kaum hätte es einen günstigeren Zeitpunkt geben können, um im EU-Parlament verstärkt für die gemeinsame Position der Verbände zu werben, als in der Zeit zwischen dem Votum des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments über die Revision der CLP-Verordnung und der Befassung des Plenums. Um die spezielle Betroffenheit der Formulierer eingehend zu erläutern, lud der Europaabgeordnete Dennis Radtke am 20. September interessierte Politiker und wichtige Stakeholder zu einem parlamentarischen Frühstück in Brüssel ein. Vertreter der drei Verbände, VdL, Industrieverband Klebstoffe und Deutsche Bauchemie erläuterten den über 30 Gästen das komplexe Zusammenspiel der beiden Grundpfeiler des Chemikalienrechts, REACH und CLP, sowie die von der Kommission geplanten Maßnahmen, die voraussichtlich die Erreichung der Ziele des Green Deals erschweren könnten.

„Hier ist deutlich zu sehen, dass unsere heutigen Themen von enormer Bedeutung für die Chemische Industrie sind, insbesondere angesichts der weitreichenden Auswirkungen durch die Verschärfung von CLP und REACH“, betonte Radtke in seiner Eröffnungsansprache, während er die teilnehmenden Verbände und die Referenten Thomas Fangmeyer (Remmers), Dr. Torsten Funk (SIKA), Dr. Helge Kramberger-Kaplan (DAW) und Dr. Sophia Schönborn (IG BCE) dem Publikum vorstellte.

Die Referenten verdeutlichten anhand von Beispielen und Studien die Herausforderungen für die Mitgliedsunternehmen, die als „nachgeschaltete Anwender“ von der Revision der CLP-Verordnung betroffen sind. Sie unterstrichen zugleich die Notwendigkeit, die gemeinsame Position der Verbände an das EU-Parlament heranzutragen. Die gemeinsame Position beinhaltet Änderungen zur aktuellen CLP-Revision und setzt sich für realistischere Übergangsfristen von 18 Monaten bei der Umsetzung von Stoffeinstufungen ein. Zusätzlich möchten die Verbandsvertreter eine Mindestschriftgröße von 1,2 mm (x-Höhe) bei Etiketten sowie die Vereinfachung praxisferner bürokratischer Verfahren erreichen.

Thomas Fangmeyer stellte in seinem Beitrag heraus, dass viele Maßnahmen der neuen Chemikalienstrategie unter dem Green Deal zu einer eingeschränkten Rohstoffbasis führen werden. In der Folge werden viele Rezepte umformuliert werden müssen. Er stellte den komplexen Prozess des Austausches von Stoffen anhand der vom VdL entwickelten Infographik dar, und betonte, dass diese Komplexität in den Verordnungsvorhaben berücksichtigt werden muss. Ein erster Lackmustest sei hierfür die Festlegung der Umsetzungsfrist für Stoffeinstufungen in der Revision der CLP-Verordnung: die vorgeschlagene Frist von sechs Monaten ist unrealistisch kurz und nicht einhaltbar.

Dr. Funk beschrieb die Auswirkungen eines wichtigen Elementes der Chemikalienstrategie, des generischen Ansatzes für das Risikomanagement GRA (Generic Risk Management Approach). Dieser Ansatz hat Beschränkungen der Verwendung bestimmter Stoffe rein aufgrund Ihrer Gefahreneigenschaften ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Expositionsrisikos zum Ziel, und zwar nicht nur für Produkte, die vom privaten Endverbraucher genutzt werden, sondern auch für solche, die vom Profi gehandhabt werden. In Deutschland seien Profis aber gut ausgebildet im Umgang mit Gefahrstoffen, so dass eine Ausweitung des GRA auf diesen Nutzerkreis nicht gerechtfertigt ist. Aus aktuellem Anlass demonstriert Dr. Funk anhand mitgebrachter Gebindeetiketten, welche Folgen eine Vorgabe zu großer Schriftgrößen auf den Etiketten hätte.

Dr. Kramberger erläuterte die Folgen eines weiteren Elementes der Chemikalienstrategie, der Einführung des Mixture Allocation Factors (MAF). Damit beabsichtigt die Kommission, sich möglicherweise verstärkende negative Eigenschaften von Stoffen in Mischungen zu berücksichtigen. Durch sehr anschauliche Vergleiche mit der Verwendung von Zutaten beim Kochen legte er dar, dass der Ansatz der Kommission realitätsfremd ist, und unnötig hohe Anforderungen an das Expositionsmanagement stellt. 

Dr. Sophia Schönborn sieht die Chemische Industrie in der Rolle eines Unterstützers für eine gesunde und grüne Umwelt ganz im Sinne des EU Green Deals. Damit sie jedoch funktioniere und die Ziele erfolgreich umsetze, müssten zunächst bestimmte Voraussetzungen für die Industrie geschaffen werden. In ihrem Beitrag plädierte sie dafür, die Praktikabilität der geforderten Maßnahmen zu prüfen und Unternehmen während ihres Transformationsprozesses zu unterstützen, die Bürokratie abzubauen und Investitionen zur Sicherung von Standorten zu fördern bzw. zu vereinfachen. Dies sei notwendig, um beispielsweise im Wettbewerb mit den USA oder China mithalten zu können.

Nach den Vorträgen nutzen die Gäste die Gelegenheit, mit den Referenten und Verbandsvertretern in den direkten Austausch zu kommen und neue Kontakte zu knüpfen.

„Die deutsche Chemische Industrie ist bereits mit zahlreichen nationalen Herausforderungen konfrontiert, wie die Gewinnung von Fachkräften, Standortsicherheit, Wettbewerb mit China und den USA sowie die hohen Energiekosten. Angesichts dieser Schwierigkeiten appelliere ich an die Unterstützung, auch aus dem Europäischen Parlament, um zusätzliche Belastungen durch Verschärfungen im Chemikalienrecht zu vermeiden“, merkte Gastgeber Dennis Radtke zum Abschluss des erfolgreich verlaufenen Events an.


 

Viktoria Tarasenko

Referentin Public Affairs

Tel.: +49 69 2556 1702
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